Yael Inokai entwirft diese Geschichte mit erzählerischer Behutsamkeit. Sie lässt ihren Protagonistinnen viel Raum zwischen dem Gesprochenen, damit sie ganz bei sich selbst bleiben. Dabei kristallisiert sich für Meret die Frage nach der Hoffnung zum Kern ihrer Beziehung zu Sarah ebenso wie zur diffizilen Arbeit im Spital. „Hoffnung ist gefährlich“, ahnt Meret: „Trotzdem gibt es keine Alternative dazu.“ Sarah aber hält ihr entgegen, die Dinge mal ohne diese Hoffnung zu betrachten, und zu überlegen, was dann geschehe, wenn ein psychischer Defekt wegtherapiert, berichtigt wird. Wer bestimmt darüber, was normal ist? Wären sie selbst vor einer Korrektur gefeit? „Die Dinge sind … brüchig“, gibt Sarah zu bedenken. In diesem Konfliktfeld wachsen Merets Zweifel, an sich, an ihrem Glauben, an Sarah Zuneigung. Yael Inokai verknüpft diese Fragen so eindringlich wie diskret mit der Beziehung zwischen Sarah und Meret, mit deren Sehnsucht nach der ungebärdigen Schwester Bibi. Zwar bleibt sie bezüglich dem operativen Wundermittel etwas zu sehr an der Oberfläche. Dafür findet sie schliesslich für Meret und Sarah einen Weg aus dem Knäuel an Hoffnungen und Befürchtungen. Er fügt sich so überraschend wie stimmig in dieses Buch ein.
(Beat Mazenauer)
Hanser Verlag, München 2022
ISBN: 978-3-446-27231-6
„Mahlstrom“ ist das zweite Buch von Yael Inokai. Es erzählt von einem Dorf irgendwo auf dem Lande, i…