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Beat Mazenauer

Adieu Béno

Benoziglio Am 5. Dezember 2013 ist Jean-Luc Benoziglio verstorben. Der im Wallis gebürtige Autor lebte seit 1966 in Paris. Sein Werk umfasst 15 Romane. 1980 erhielt er für den Roman «Cabinet-portrait» den Prix Médicis. Das sind die dürren Fakten eines traurigen Verlusts.

Wer Jean-Luc Benoziglios Bücher kennt, weiss das hinter einer solcherart eingefassten Realität Welten lauern. Literarisch lassen sie sich verorten im Umkreis von Rabelais, Sterne, dem Nouveau Roman und Oulipo. Benoziglio arbeitete gerne mit eigenwilligen narrativen Formen, die seinem Sprachwitz und seinen abenteuerlichen Einfällen eine Bühne gaben. Benoziglio war allem voran ein Meister der ge- und zerbrochenen Biografie. Das Individuum geht unter in der Nachrichtenflut und im Gerede der Menschen. Autobiographisches ist dabei mit im Spiel, und Selbstironie. Dafür verzichtete Benoziglio auf Chronologie und einen roten Faden. Dafür sorgt der Leser bei seiner Lektüre.

Hinreissend und empfehlenswert ist der besagte Roman «Cabinet-portrait» (Porträtsitzung), worin ein einäugiger Mann gewisser «Umstände» wegen in ein kleineres Etablissement umziehen muss, wo seine 25-bändige Universalenzyklopädie nicht mehr Platz findet. Deshalb deponiert er sie auf dem Etagenklo. Unweigerlich stiften seine stundenlangen Sitzungen Streit mit den Nachbarn und lösen eine ganze Serie von fiesen Aktionen und beharrlichen Gegenaktionen aus. Über die Auswahl seiner Lektüren gewährt Benoziglio auch Einblick in die eigene Biographie, die väterlicherseits türkische Wurzeln ausweist. Mit diesem hinterhältigen, versponnenen Roman (seinem sechsten) bewies er 1990 erstmals auch der deutschen Leserschaft, über wieviel literarischen Schalk und lakonischen Witz er verfügte.

Seinen spielerischen Umgang mit der Sprache bezeugt der Roman «Der Tag, an dem Kary Karinaky auf die Welt kam», lautmalerischer auf französisch: «Le Jour où naquit Kary Karinaky» (1986, dt. 1993). Benoziglios Humor und gallige Narretei zeigen sich darin von einer schwärzeren Seite. Er kalauert nicht mehr so unverfroren wie in «Porträtsitzung», er klingt lakonischer, mitunter fast zynisch. Die dekonstruierte Lebensgeschichte der Titelheldin demonstriert vielmehr das Verschwinden des Individuums in der Moderne und bekräftigt das Ende des Entwicklungsromans. Von Kary bleibt am Ende lediglich eine Umrisszeichnung auf dem Strassenpflaster übrig, getreu ihrer eigenen Äusserung, dass es nichts «Schöneres, Düsteres, Stärkeres als diese Kreidegestalt auf einem schwarzen, regennassen Bürgersteig» gebe. Inszenierte sie ihren Tod selbst als Kunstwerk? Wie auch immer, Kinder und Passanten «gewöhnten sich daran und achteten nicht mehr darauf»: das Leben als vergängliches Ornament. Symbolisch sind darin die Namen aller Figuren mit einem Ypsilon gekennzeichnet – in der englischen Lautung ein permanentes erstauntes: «why?» / «warum?».
 
Benoziglios zuletzt auf Deutsch erschienener Roman «Das Losungswort» (Le feu au lac, 1998, dt. 2011) knüpft hier an. Abermals dekonstruiert er eine Biographie (die Elemente der eigenen enthält) in ihre Einzelteile. Er erzählt aus einer Vielzahl von Perspektiven die Geschichte eines um 1920 herum geborenen Halbjuden aus der Schweiz, der in Paris das Konservatorium besucht, 1942 zurückkehrt und deshalb überlebt, Jahre nach dem Krieg eine Bekannte aus dem Konservatorium wieder trifft, und mit ihr in ihre Heimat, die Gironde, auswandert. Sie aber verlässt ihn bald wieder, dafür errichtet er auf einer Insel ein Haus, das bald zerfällt – und mit ihm der der Protagonist. Er verwildert und gebärdet sich immer mehr als Provokateur mit der Flöte (Pan), ausgestossen und misstrauisch beäugt. Schliesslich bringt er sich um. Im Kern rankt sich der Roman um die Themen Freiheit und Fremdheit. Ein Aussenseiter kann nie (ein)heimisch werden, ein Jude schon gar nicht.

Sprachliches Feuerwerk, Witz, Ironie und Sarkasmus in allen Spielarten, in denen ein tückisch böser Kern steckt, das sind Kennzeichen dieses wunderbaren Autor. «Béno s’en va-t-en guerre» überschrieb Benoziglio 1976 seinen vierten Roman, nun hat er den letzten geschrieben: Béno s’en va-t-en ciel.

Im Verlag Die Brotsuppe sind zuletzt die Romane «Louis Capet», «Fortsetzung und Schluss» und «Das Losungswort» (übersetzt von Gabriela Zehnder) erschienen.
Auf viceversaliteratur.ch erinnert sich Daniel Rothenbühler an Benoziglio, ein Porträt von Jürgen Ritte findet sich in der NZZ.

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